„Höheres politisches Niveau“

Von Redaktion · · 2005/01

Das Südwind-Magazin befragte die im Außenamt für Entwicklungszusammenarbeit verantwortliche Sektionsleiterin, Botschafterin Irene Freudenschuss-Reichl, zur Wirksamkeit der Millenniums-Entwicklungsziele (MDGs).

Südwind: Was haben die MDGs für die österreichische Entwicklungszusammenarbeit (EZA) bewirkt?
Irene Freudenschuss-Reichl:
Das wichtigste und am leichtesten darstellbare Ziel ist die Verringerung der absoluten Armut. Dieses Ziel ist in das neue EZA-Gesetz aufgenommen worden.
Die MDG-Diskussion hat die Entwicklungszusammenarbeit insgesamt auf ein viel höheres politisches Niveau gehoben. Schließlich haben Staats- und Regierungschefs erklärt, Entwicklung voranzutreiben sei das wichtigste Vorhaben für das 21. Jahrhundert.

Zu welchen Zielen wird sich Österreich besonders engagieren?
Die österreichische EZA ist sowohl regional als auch thematisch konzentriert. Wir wollen diese Konzentration sogar noch verstärken, weil wir geringe Mittel haben. Und die sollen so eingesetzt werden, dass sie auch Wirkung zeigen. Notgedrungen können wir nicht alles, was in der Millenniums-Erklärung steht, auch wirklich berücksichtigen.
Wo liegen Österreichs Stärken in Bezug auf die MDGs?
Im Wasserbereich etwa. Wasser hat in der Millenniums-Erklärung einen hohen Stellenwert. Die Versorgung mit sauberem Trinkwasser und die Verbesserung der sanitären Bedingungen sind Bereiche, in denen Österreich profiliert ist und eine sehr gute Expertise im internationalen Umfeld hat. Österreich nimmt dabei in der EU eine Art Themenführerschaft ein.

Für Österreich am wichtigsten ist natürlich Ziel acht. Dies beinhaltet die Verpflichtung, die EZA-Mittel zu erhöhen. Ist über das Barcelona-Ziel, 0,33 Prozent des Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungszusammenarbeit auszugeben, hinaus an einen Stufenplan zur Anhebung der Leistungen gedacht?
Auf europäischer Ebene kann man diese Frage mit einem klaren „Ja“ beantworten. Im ersten Halbjahr 2005 wird die EU über eine weitere Anhebung ihrer Mindest-ODA (öffentliche Entwicklungshilfeleistungen; Anm.) beschließen. Ich hoffe sehr, dass wir mit dem Finanzministerium zu einer guten Lösung kommen und uns an einem solchen Beschluss beteiligen können. Die Statistiken, die sich durch die Irak-Entschuldungen ergeben, werden in diesem Fall hilfreich sein*.
Österreich kann sich aus der europäischen Ebene nicht ausklinken und wird international unter Druck kommen. Es gibt viele Gruppierungen und Menschen, die diesen Druck auch innerhalb von Österreich erzeugen wollen. Die 0,7-Kampagne hat in diese Richtung sehr viel mobilisiert.

Wie schätzen Sie den Global Marshall Plan ein? (Siehe auch Beitrag auf Seite 20)
Ich freue mich, dass er so viel Aufmerksamkeit in den Medien und in der breiten Öffentlichkeit erlangt hat. Vielen der Analysen stimme ich zu und teile die Einschätzung des Zustandes der Welt. Ich bin auch der Meinung, dass die Richtung, in die uns die Globalisierung bringt, wenn wir nicht gegensteuern, nicht wünschenswert ist.
Bei einzelnen Politikvorschlägen des Global Marshall Plans habe ich meine Fragen und Zweifel, ob der vorgeschlagene Weg gangbar oder erstrebenswert ist. Es ist ein sehr nördlicher Vorschlag, in den wenig Dialog mit den Partnern in den Ländern des Südens eingeflossen ist. Die Vorschläge, die im Finanzierungsbereich gemacht werden, also Besteuerung von Kerosin, Waffenverkäufen und Kapitalspekulationen etwa, sind interessant. An sich sind sie ja nicht neu. Dass aber Vorschläge, die früher im akademischen Bereich oder im Nichtregierungsbereich kursierten, jetzt doch in die Politiknähe kommen, finde ich gut.

Das Gespräch führte Irmgard Kirchner

*) 2005 wird das staatliche Budget für Entwicklungszusammenarbeit mit 0,45 Prozent vom Bruttonationaleinkommen erstmals deutlich über den von der EU vorgegebenen 0,33 Prozent liegen. Dieser Anstieg ist auf die Entschuldung des Irak zurückzuführen, die vom Pariser Club multilateral beschlossen wurde.

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